Allein die Lage der Abtei Mariawald in der malerischen Landschaft des wilden Kermeters mitten im Grünen und umgeben von der Natur des Nationalpark Eifel versprüht schon einen gewissen Zauber. Dieser Ort mit jahrhundertealter Tradition besitzt ganz besondere Energien – je nachdem an welcher Stelle des Klosters man sich gerade befindet, herrschen Ruhe, Besinnlichkeit, Einkehr oder auch Gastfreundlichkeit und emsiges Treiben. Nachdem Mariawald über 500 Jahrelang ein Ort des Gebets gewesen ist, wurde der Konvent Ende 2017 mit dem altersbedingten Auszug der letzten Trappistenmönche aufgelöst. Mit der Übernahme in Erbpachtdurch die Unternehmerfamilie von Wolfgang Scheidtweiler, der in Wachendorf aufwuchs und mit der Eifel engverbunden ist, bleibt der spirituelle Kraftort erhalten. Ein neues Gebäudekonzept setzt vorsichtig weltliche Aufenthalte und Besuche in zuvor nicht zugänglichen Bereiche um – alles noch immer mit Rücksicht auf die streng-religiöse Vergangenheit und die mönchisch geprägte Umgebung.
Ruhe und Stärkung in der Abtei Mariawald
Die Ursprünge der ehemaligen Abtei reichen zurück bis ans Ende des Spätmittelalters und der beginnenden Neuzeit, in das Jahr 1460 oder 1470. Der glaubensstarke Heimbacher Henrich Fluitter, zuvor als Strohdachdecker tätig, sah bei einem Besuch in Köln ein Gnadenbild, das ihn sehr bewegte. Er erwarb die Pietà und stellte diese an der Wegkreuzung am Bersched auf dem Kermeter zur Verehrung in einer Hütte auf. Für sich selbst errichtete er eine Einsiedelei, in der er bis zu seinem Tod lebte, um das Bildnis der Schmerzensmutter und die stetig zunehmende Zahl von Pilgern zu betreuen. 1479 übernahm Pfarrer Daum die Betreuung des Gnadenbildes, errichtete eine hölzerne Kapelle und veranstaltete jeden Sonnabend eine Prozession. Die Zahl der Pilger wuchs stetig und für deren Seelsorge fragte der Heimbacher Pfarrer bald die Zisterzienser von Bottenbroich um Hilfe. 1480 verschenkte er dann gleich die ganze Kapelle an das Kloster bei Kerpen.
Die Mönche errichteten daraufhin ein neues Kloster auf dem Kermeter mit dem Namen „Wald Mariens“ (Nemus Mariae), das am 4. April 1486 unter der Leitung von Prior Johannes vom Goch bezogen wurde. Die kommenden 300 Jahre bestimmte die Obhut der Wallfahrten zur Schmerzensmutter das Leben der Zisterziensermönche von Mariawald. Das Kloster wurde erweitert, ein Schnitzaltar errichtet, in dessen Mitte das Schmerzensbild seinen Platz fand, sowie bunte Glasfenster in Kirche, Kreuzgang und Kapitelsaal eingebracht. Mit der Französischen Revolution erlebte das aufstrebende Kloster am 2. April 1795 jedoch ein jähes Ende. Der Betrieb wurde kurzerhand aufgehoben und der Verfall begann.
Nach Plünderung und Versteigerung der Besitztümer konnten zumindest der Schnitzaltar und das Gnadenbild gerettet werden. Kaum zu glauben, dass der Trappistenabt Ephrem van der Meulen aus Oelenberg im Elsass 1860 auf der Suche nach einem passenden Gelände für eine Klosterneugründung die verfallende Anlage entdeckte und wiederaufbaute. Schon 1875 hoben die Kulturkampfgesetze gegen die katholische Kirche den Klosterbetrieb wieder auf und Mariawald stand bis 1887 leer. Doch wieder kamen die Ordensbrüder zurück, das Kloster gedieh abermals und wurde 1909 zur Abtei erhoben. Die Weltkriege brachten erneute Einschnitte mit sich: Mönche wurden zum Kriegsdienst einberufen und später brachte man die am Bau des Westwalls beschäftigten Arbeiter hier unter. Am 21. Juni 1941 wurde die Abtei schließlich aufgelöst, die noch hier lebenden Mönche vertrieben – nur wenige blieben als Arbeiter in der Landwirtschaft auf dem Klostergelände. Mariawald beherbergte Waisenkinder und diente beim Näherrücken der Westfront als Feldlazarett. Bei Kriegsende war das Kloster zu großen Teilen zerstört, doch die Mönche kamen 1945 nochmals zurück und bauten die Abtei zum dritten Mal in ihrer Geschichte wieder auf.
Stilles Museum im märchenhaften Schlaf
Besucht man heute die Klosteranlage von Mariawald, erinnert vieles an ein Museum im Dornröschenschlaf. Erhaben liegt es im Nationalpark Eifel auf der Anhöhe über Heimbach, die schmale und kurvenreiche Zufahrtstraße führt durch Waldstücke hinauf, bis sich der Blick in die Weite der Eifellandschaft öffnet und die Abtei preisgibt. Der Parkplatz liegt oberhalb des Klostergeländes, am Klosterladen vorbei steigen wir die Treppe hinab zur Pforte. Unsere Führung durch das Kloster gewährt uns Blicke hinter die Kulissen des Alltags der vorerst letzten Mönche der Abtei Mariawald. Vorbei am Klausurbereich und Büroräumen führt der Weg zum mit bunten Fenstern geschlossenen Kreuzgang mit seinem Brunnen in der Mitte. Beim Hinaustreten in dieses Geviert nimmt uns die Andacht des Ortes gefangen. Stille und Energie sind hier gleichzeitig spürbar, so als ob die jahrhundertealten Mauern beginnen, ihre Geschichten zu erzählen. Nebenan in der Klosterkirche wechselt die Stimmung hin zur Demut als wir erfahren, dass die Ordensbrüder täglich über sechs Stunden lang im Stehen singend im Chor verweilten. Nur wenn einer von ihnen »schwach« oder jemandem schwindelig wurde, durfte er sich kurz auf das ausklappbare Brett setzen. Dass diese Vorrichtung den Ausspruch »die Klappe halten« mit sich brachte, wussten wir noch nicht. Fällt die Klappe doch einmal ohne Halten hinunter, ertönt ein lauter Knall, der im Kircheninneren lange widerhallt. In diesem Moment war an Stille oder Andacht nicht mehr zu denken.
Im oberen Stockwerk sind Wäscherei, Näherei und die Kleiderkammer untergebracht. Maschinen aus technisch längst vergangenen Zeiten und penibel sortierte Schuhbänder oder Socken, die ihr Pendant im „Strömungs-Automat“ verloren haben, hängen und liegen hier. Koffer, Schuhe und Herrenanzüge warten hier vergebens auf erneute Ausflüge in die »zivile« Welt. Weiter gehen wir in die Küche und in das Refektorium, den Speisesaal des Klosters, nach monastischer Art eingedeckt. Überall begleiten uns merkwürdig anmutende Lautsprecher, alte Empfänger für die Übertragung der Messe und der Stundengebete. Der eindrucksvolle Rundgang macht Halt im Vorhof der Klosterkirche. Führungen gibt es hier immer wieder, ob jedoch alle Geheimnisse, die wir erfahren haben auch weiterhin besichtigt werden können, bleibt uns verborgen.
Klösterliche Spezialitäten und himmlischer Kräuterlikör in der Abtei Mariawald
Nach den vielen Eindrücke und Schritten durch die Klostergänge haben wir uns eine Stärkung mehr als verdient und besuchen dafür die Klostergaststätte, wo uns schon der Duft der dampfenden, hausgemachten Mariawalder Erbsensuppe empfängt. Seit mehr als einem halben Jahrhundert laben sich Pilger, Wanderer, Reisende und Tagestouristen an der beliebten Suppe des Klosters. Die Rezeptur ist bis heute unvergleichlich und unverwechselbar, aber ein ebenso strenggehütetes Geheimnis geblieben. Außer der berühmten Suppe, die übrigens mit und ohne Wurst sowie in einer veganen Variante serviert wird, gibt es hier ehrliche und tagesfrische Klosterküche, dazu Klosterbiere oder Kaffee und selbstgebackene Kuchen.
Eine weitere Spezialität ist der Original Mariawalder Kloster- Likör, dem wir in der Likörfabrik schon begegnet sind. Die Rezeptur tüftelte vor über 100 Jahren ein Apotheker mit den Mariawalder Trappistenmönchen aus und schenkte sie dem Kloster. So wie früher wird der Likör auch heute noch hergestellt, mit ausschließlich natürlichen, pflanzlichen Zutaten und somit vegan, komplett im Kloster produziert und abgefüllt. Mit schöner Vanillenote balsamiger, anschmeichelnder Textur am Gaumen wird er beschrieben und lieblich duften soll er zugleich. Sein feines Aroma passt daher auch gut zu Eis, Kuchen oder Desserts.
Wer jetzt noch nicht genug von der klösterlichen Kulinarik hat, findet im Klosterladen neben Kunst und Literatur weitere Produkte aus der Mariawalder Herstellung. Hier gibt es Backwaren, Plätzchen und Pralinen, Trappistenbiere und Käse, Grau- und Schwarzbrot, Honig, Brotaufstriche oder Gulasch und Bolognesesauce aus schierem Rindfleisch sowie frisches Rind- und Wildfleisch von den umliegenden Wiesen und Ländereien. Dazu kommen Naturkosmetika, handgemachte Seifen und andere für das Kloster hergestellte Pflegeprodukte.
von Jeannette Fentroß
Gekürzte Fassung – Den ganzen Text findet ihr in Endlich Eifel 5 – Zauber der Eifel